Um viele Mühlen ranken sich Legenden, Sagen und Märchen. Vor kurzem hat der Dorf- und Heimatverein Cammer drei unglaubliche Geschichten entdeckt. Machen sie sich selbst ein Bild. Übrigen das „Glücksmehl“ als glückbringendes Talisman kann an der Mühle erworben werden.
Vor Zeiten, als oben und unten noch auf ihren angestammten Plätzen waren, stand am Rande des Dorfes Cammer nach dem Abend zu eine hölzerne Mühle. Damals waren die Menschen überzeugt, der Leibhaftige sei hinter jeder Seelen her. Wer dies glauben mag, kann annehmen, dass er es besonders auf die Müller abgesehen hatte. Wie sich ihre Steine drehten und das gute Korn zu feinem Mehl rieben, so freute es den Bösen, brave Christenmenschen durch seine Seelenmühle zu drehen. Die Seele des Müllers der Wassermühle an der Plane bei Cammer hatte der Teufel schon im Sack, nun wollte er auch den Windmüller erlangen. Bei dem Wassermüller hatte der Böse ein leichtes Spiel gehabt, ihn gewann er mit der Aussicht auf immer währenden Reichtum, derweil dessen Weib ihr Ehegesponst zum Vertrag mit Satan drängte, weil ihr dieser ewigliche Jugend und Schönheit verheißen hatte. Luzifer war zufrieden über den Fleiß seines diabolischen Gehilfen, der ihm eine Seele nach der anderen aus Zauche und Fläming brachte. Nun ward dieser Teufel hoffnungsfroh, auch den Windmüller mit Gold und Jugend auf seine Seite zu ziehen. Nach einem Tage, der fürwahr ein beschwerlicher war, trat der Windmüller vor die Mühle und sah, wie ein fein gewandeter Edelmann die Straße vom Dorfe herbei kam. Dieser trat an ihn heran, entrichtete höflich die Tageszeit und fragte ihn dies und berichtete das. Nun stand dem Windmüller an diesem Abend nicht der Sinn nach einem Gespräch und mochte es noch so kurzweilig sein. Er wollte rasch seine letzten Aufgaben verrichten und sich hernach zur Ruhe betten. Der Fremde sprach ihm zu und lud ihn zu einem Handel ein. Er biete ihm viel Geld und ein sorgenfreies Leben. Welchen Preis verlange er dafür, fragte der Windmüller. „In den nächsten zehn Jahren nichts, wenn ich dann aber bitte, mir zu folgen, dann sollst du dies tun.“ Da wusste der Windmüller, wer vor ihm stand. „Was nutzt mir dein Geld, wenn ich eines Tages im Fegefeuer schmore?“ Der Teufel sah, dass er erkannt war, doch er ließ nicht nach, dem Windmüller immerfort neue Versprechnungen wie süßen Honig auf die bedrängte Seele zu träufeln. Erst war der Windmüller noch freundlich, doch bald verlor er die Geduld und war es leid, sich von diesem Blender die Zeit stehlen zu lassen. So rief der Windmüller: „Scher dich zum Teufel, Satan!“ Sprach’s, wandte sich um und verschwand in der Mühle. Mürrisch zog der Leibhaftige ab. Nun hätte das Teufelchen von dem hartnäckigen Windmüller lassen können. Gewiss wäre ihm Luzifer deshalb nicht böse geworden. Doch dieser arge Täuscher wollte sich nicht bezwingen lassen, glaubte er sich doch schlauer und listiger als alle Menschen ringsherum. So tat er, dass in den nächsten Tagen kein Wind wehte, und wo keine Bö bläst, kann sich kein Windrad drehen. Die Windmühle stand still. Die Bauern drängten den Windmüller, etwas zu unternehmen, doch dieser sagte: „Wir müssen auf Gott Vertrauen, er ist bei uns.“ Nun gab es damals nicht viele Mühlen in Zauche und Fläming, und der Wassermüller hatte seine Arbeit schon lange ruhen lassen, weil ihm der Teufel auch so Geld gab. Die Bauern, die ihr Korn mahlen lassen wollten, lachte er nur aus und scheuchte sie vom Hof. Wie nun die Bauern den Windmüller immer drängender angingen, trat der Teufel wieder an den Windmüller heran und bot ihm abermals seinen Kontrakt. „Oh“, sprach da der Windmüller, „nun weiß ich, wem ich das Ungemach zu verdanken habe – du hälst dem Wind den Atem an“. Auf die ungeduldigen Bauern deutend, sprach der Gottseibeiuns: „Wenn du deren Korn nicht rasch mahlst, trachten sie dir nach dem Leben. Dann brauchst du mich nicht mehr zu bitten, dir zu helfen.“ Doch der Windmüller wandte sich ab und begab sich ins stille Gebet. Wie er geendet, blickte er zum Himmel, dankte Gott und sprach: „Amen“. Der Teufel lachte: „Was bist du doch für ein Narr?“ Das hörte der Windmüller schon nicht mehr. Eilig hatte er die Bauern herangerufen und ihnen berichtet, was er eben ersonnen hatte. Sofort machten sich die Menschen ans Werk und ehe die Sonne den Scheitel des Tages passierte, drehten sich die Mühlsteine wieder. Und das, obwohl die Windflügel wie ehedem stille standen. Mit allerlei Holz hatten der Windmüller und die Bauern ein Ding geschaffen, das mit Hilfe ihrer Pferde die Mühlsteine drehen machten. Gemütlich gingen die Pferde im Rund und es währte nicht lang, da ward alles Korn zu Mehl. Wütend eilte der Teufel davon. Er fürchtete schon, er müsse vor seinen dunklen Herrn treten und sein Versagen eingestehen, da kam ihm ein fürwahr besonders teuflischer Gedanke. Er wollte den Windmüller zur Verzweifelung treiben, so arg, dass dieser sich selbst verderbe oder die Mühle verbrenne. Einem Poltergeist gleich wütete der Teufel in der Mühle. Nicht allein des Nächtens ging er um, auch am Tage warf er alles um und machte zunichte, was der Windmüller geschaffen hatte. Nun wollte dem Windmüller nichts gelingen. Die Geräte brachten entzwei, die Mehlsäcke rissen, die Gesellen liefen ängstlich fort, ja selbst des Müllers Weib und seine Kinder mochten bald nicht in der Mühle sein und zogen fort. Tag um Tag, Nacht um Nacht ließ es der Windmüller geschehen. Aufgeben wollte er nicht, wusste er doch, welchen Preis er zu zahlen hatte, um den bösen Geist zu beschwichtigen. Doch bald schien es, als bekäme der arge Wicht, was er verlangte. Der Windmüller ward von allen Menschen verlassen, ein jeder mied die Mühle. Der Windmüller zweifelte, ob seine Gebete gehört worden wären, da trat ein armer Pilger in die Mühle. Oh, wie klagte der Windmüller diesem frommen Mann sein Leid. Der Pilger nahm die traurigen Worte hin, faltete die Hände zum Gebet und kniete nieder. Er bat den Müller, es ihm gleich zu tun. Der Teufel polterte immer lauter durch das Gebälk. Es schien, als wollte er dier Mühle zerbrechen und in tausend Stücke schlagen. Alsdann legte der Pilger seine Hände auf einen großen Mehlsack und sprach fromme Worte. „Die Kraft ist bei den Standhaften“, sagte er, wünschte dem Windmüller Gottes Segen und schritt vondannen. Der Müller aber nahm eine große Schippe von dem Mehl aus dem bezeichneten Sack und folgte dem Poltern durch die Mühle. Bald fand er die Stelle, wo es der Teufel am ärgsten trieb, wenngleich er ihn nicht sehen konnte. Der Windmüller warf das Mehl in die Ecke, in der er den Bösen wähnte. Und siehe da, aus der Ecke hob ein fürchterliches Geschrei an, so grauenvoll, als sei ein Mensch mit siedendem Fett übergossen worden. Rasch warf der Müller weiteres Mehl an die Stelle und verharrte, obwohl das Schreien durch Mark und Bein ging und ihm die Sinne zu rauben drohte. Doch hatte das Poltern, Rütteln und Reißen ein jähes Ende. Das Geschrei verebbte, und aus der Mehlwolke schälte sich eine Gestalt heraus. Mehr und mehr nahm sie Kontur an und ähnelte dem Teufel. Doch trat aus dem weißen Nebel kein Gehörnter an den Müller heran, es war dies ein kleiner Mann mit freundlichen Zügen im Antlitz. Das Männlein klopfte das Mehl von seinen Sachen, verneigte sich vor dem Müller und sprach: „Hab‘ Dank, guter Müller, dass du mich erlöst hast. Drei Mal hast du meinem teuflischen Treiben widerstanden und mich obendrein mit gesegnetem Mehl bestreut. So bin ich frei vom meinem Dienst für Satan, ich stehe nicht mehr in der Schuld des Bösen.“ Doch nicht allein dem Männlein ward geholfen, das glücklich seiner Wege zog, wo immer es auch herstammen mochte. Von diesem Tage an war alles Mehl aus dieser Mühle gesegnet, solange dieser standhafte Windmüller am Werke war. Die Menschen aus Cammer und den Orten herum meinten, nur in dieser Mühle gebe es ein Glücksmehl, mit dem jedes Brot gelinge und das die vielfach Hunger leidende Bevölkerung trefflich zu nähren verstand. ©ei
Vor Zeiten, als die Menschen noch wussten, was wahr war, gab es im Dorfe Cammer zwei Mühlen. Eine trieb ihre Steine mit der Kraft des Windes an, die andere hatte ein hölzernes Rad, das sich vom Fluß der Plane drehen ließ. Nun waren die Zeiten so, dass die Plane stets gutes Wasser führte. Immer drehte sich das Rad und ward feines Mehl aus gutem Korn. Mit dem Wind hatte der Müller der Bockwindmühle dagegen seine Müh‘. Mal blies er kräftig, dann flaute er ab und war nicht kräftig genug, die schweren Steine zu drehen. Derweil sich der Windmüller plagte und nicht wusste, wie er seine Familie durch das Jahr bringen sollte, hatte der Wassermüller immerfort ein gutes Auskommen. Auf seine Mühle war Verlass, das wussten die Bauern ringsherum und brachten ihr Korn zuerst zur Wassermühle. Bald konnte sich der Müller die Leute aussuchen, für die er mahlte, so beliebt war er. Man mag sich denken, wie dies geschah: Wer den Müller am besten bezahlte, bekam sein Mehl auch rasch gemahlen. Arme Bauern mussten mit dem Windmüller vorlieb und hoffen, dass, wenn ihr Korn gemahlen, sie auch noch einen guten Preis erzielen würden. Der Wassermüller war bald der reichste Mann in Cammer und lebte auf großem Fuß. Dem Windmüller dagegen war der Schmerz ein steter Begleiter, mal weil er sich fortwährend den Rücken krümmen musste, mal weil ihn der Hunger plagte, mal weil ihm die Armut seiner Familie schier das Herz zerriss. Nun war es aber so, dass die, die viel haben, am liebsten nichts davon geben, derweil jene, die sehr wenig haben, das geringe gern mit anderen Habenichtsen teilen. Das verhielt sich mit den Cammerschen wie mit allen Menschen auf Gottes weiter Erde. Eines Morgens kam vom Morgen her ein zerlumpter Pilger. Er klopfte mit seinem Wanderstock an die Pforte der Wassermühle und begehrte etwas Speis‘ und ein wenig Trank. Des Müllers Weib sah den erbarmungswürdigen Mann. Doch anstatt dem bescheidenen Wunsch Erfüllung zu geben, schalt sie ihn einen Tagedieb. Rasch eilte der Müller herbei, fiel in das Geschrei seines Weibes ein und beide trieben den braven Pilger fort. Mit hängendem Kopf und knurrenden Magen zog er weiter und langte bald an der Windmühle an. Auch dort schlug er mit dem Stock an die Pforte und siehe, eine muntere Kinderschar tat ihm auf und hieß ihn einzutreten. Es waren dies die Knaben und Mägdelein der Müllersleut‘, die den Pilger zur Mutter führten. Das Weib bat den armen Wanderer des Herrn um Vergebung, dass sie kaum genug in der Speisekammer habe, um die Familie zu nähren. Doch es werde wohl genügen, ihm ein wenig den Magen zu füllen. Wie der Müller kurz darauf dazu trat, lobte er sein Weib, die dies Recht getan habe. Nach dem Mahl und dem Dankesgebet bot der Müller dem Gast eine Schlafstatt zur nächtlichen Ruhe an. Doch der Pilger dankte für die empfangene Herzensgüte und sprach: „So ziehe ich weiter nach Abend zu, wie es mir der Herr aufgetragen hat. Zum Dank für die Gastfreundschaft, die mit deine ganze Familie geboten hat, möchte Dir das Werk, das Du morgen früh als erstes beginnst, bis zum Untergang der Sonne immerfort gelingen.“ So zog er von dannen. Wie nun der Müller am nächsten Morgen wie Türe trat, lag ein Beutel voller Korn auf der Schwelle, so klein, dass er von keinem Bauern stammen konnte. „Der Herr nimmt nicht nur, der Herr gibt auch“, dachte der Müller bei sich und schüttete das Korn ins Mahlwerk. Doch wie wunderlich, der Fluss goldgelben Getreides wollte nicht versiegen. Ohne Unterlass strömte das Korn aus dem Beutel, und weil an diesem Tage ein guter Wind über die Zauche ging, drehten sich die Mühlflügel lustig und knirschten die schweren Steine, dass es eine Freude war. Rasch war der erste Mehlsack gefüllt, flugs der zweite, und es schien dem Müller, als könne er nicht schnell genug neue Säcke aufstellen. Die Kinder waren gerade erwacht, da sandte der Müller sie aus, die Bauern ringsum um Säcke zu bitten, es wäre doch schade, das gute Mehl in den Staub zu mahlen. So sprach sich rasch in Cammer herum, dass der Windmüller aus einem Beutel Korn säckeweise Mehl gewönne. Die Kunde drang auch an das Ohr der Wassermüllerin, die sich heimlich zur Windmühle stahl, um das seltsame Geschehen zu besehen. Nun hatte der Windmüller alle Hände voll zu tun, längst waren schon Golzower, Tornower, ja gar Freienthaler und Michelsdorfer mit ihren Säcken gekommen, das Mehl aufzufangen. So sprach die Wassermüllerin die Windmüllerin an und fragte, wie dies möglich sei. Da erzählte das brave Weib vom gestrigen Gast und dessen Wunsch, der sich nun erfülle. Die eitle Wassermüllerin erkannte in diesem Gast sofort den armen Pilger, den sie und ihr Ehegesponst voller Hohn hinfort gejagt hatten. Rasch lief sie heim, ihrem Mann dies zu berichten. „Schau“, sprach sie, „dass wir ihn doch unter unser Dach bekommen können, um ihn gar köstlich zu versorgen, auf dass er auch uns seinen Wunsch gebe“. Der Wassermüller ließ die besten Pferde vor die beste Kutsche spannen, hieß den Knecht, eine gute Kammer zu richten, und die Küchenmagd, einen feinen Braten zu bereiten. Hernach eilte er mit dem Gespann der untergehenden Sonne hintendrein. Weit hinter Golzow, hart bei Wollin, holte er den armen Pilger ein und bat diesen inständig, zu ihm in die Kutsche zu steigen und nach Cammer zu kommen. Es täte ihm leid, den braven Gottesmann in einem unüberlegten Moment des Hofes verwiesen zu haben. Nun, da ihn sein Gewissen plage, möge er ihn bewirten, wie es sich geziehmt. Der Pilger dankte und nahm gern an. So stob das Gespann nach Cammer zurück. Dem Wanderer ward in der Wassermühle aufgetragen, was für gewöhnlich nur in hohen Häusern auf den Tafeln der Herrscher zu finden ist. Dies sei doch etwas Besseres als das karge Mahl, das ihm tags zuvor der Windmüller vorgesetzt habe. Doch der Pilger sprach nicht, sondern aß und trank in aller Stille und nickte den Knechten und Mägden zum Dank, wenn sie neue Leckereien brachten. Wie er nun von allem ein wenig gekostet hatte und bezeugte, gut gespeist zu haben, bot ihm die Wassermüllerin eine fürstliche Schlafstatt an. Der Pilger dankte, aber er wolle doch lieber weiter ziehen. Die Gastfreundschaft aber möchte er vergelten, in dem er dem Wassermüller wünscht, dass ihm alles bis zum Untergang gelingt, was er am andern Morgen als erstes verrichtet. Sodann zog er dem Abend entgegen. Voller Freude taten sich der Wassermüller und sein Weib am besten Wein gütlich. Einen Krug nach dem anderen leerten sie und sannen nach, welches Werk am Morgen zuerst zu verrichten sei. Das Weib wollte, wie der Windmüller, Korn mahlen. Doch ihr Mann schallt sie eine Närrin. Lieber wolle er Taler aus seiner Geldkatze heraus zählen, dann wäre das ganze Haus bald voller Geldstücke und sie seien die reichsten Leute in den Marken. Nun mahlten sie sich aus, was sie mit all dem Geld anstellen könnten und leerten derweil weitere Krüge süßen Weins. Da nimmt es nicht Wunder, dass sie bald in einen tiefen Schlaf fielen. Sie erwachten, da war der neue Tag längst angebrochen. Doch o weh, das Übermaß süßen Wein bescherten dem Wassermüllerpaar dicke Köpfe, die gar furchtbar pochten. Schlimmer noch war ein Verlangen. Wie angestochen eilten beide hinter das Haus, dort, wo das Planewasser zum Mühlrad fließt. Sie hoben die Kleider und erleichterten sich. Nun hatten sie fürwahr viel Wein getrunken, also wundere es sie nicht, dass sie auch viel Wasser lassen mussten. Bald aber erschien es ihnen merkwürdig, dass ihre Flüsse nicht enden wollten und sie sich erheben oder zur Seite treten konnten. Wo sie hockten und standen, floss es aus ihnen heraus, immerfort in die Plane hinein. Als ihnen gewahr wurde, dass sie eben ihre erste Verrichtung des Tages taten, war es zu spät. Ihre Ströme ließen die Plane über die Ufer treten, rissen erst das Mühlrad fort und am Mittag die ganze Mühle. All ihr Reichtum trieb nun dem Breitlingsee entgegen, weiter über die Havel und die Elbe nach dem großen Ozean. Die Sonne war untergegangen, da hatten der Wassermüller und sein Weib nichts als die Sachen am Leibe und auch diese waren nass und rochen gar fürchterlich. Heimlich stahlen sie sich fort und waren nie wieder gesehen worden. Der Windmüller aber hatte so viel Mehl gewonnen, dass er es ringsherum bei den armen Bauern und Büttnern verschenkte. Von nah und fern kamen sie, ein wenig von diesem Glücksmehl zu bekommen. Man sagt, feines Gebäck gelinge damit besonders gut. Für sich und seine Familie blieb dem Windmüller genug, dass es ihnen Wohlergehen bis ans Ende ihrer Tage bescherte. ©ei
Eine Sage aus alter Zeit
Müller Klaus Spiesecke aus Cammer war ein aufrichtiger Christ. Der sonntägliche Kirchenbesuch war ihm ebenso eine angenehme Pflicht, wie der Besuch der Gaststätte danach. Von Blocks bis nach Hause waren es nur wenige Schritte, und da machte es nichts wenn er manchmal schwankenden Schrittes gen Hof davonging. Geistergeschichten und Aberglaube waren ihm fremd. Dies war alles für die dummen Bauern und nicht für den gebildeten Mühlenbesitzer. Es muss um 1756 gewesen sein als das Wetter plötzlich verrückt spielte. Im Frühjahr tobten so starke Stürme, dass ans Mahlen nicht zu denken war. Es bestand die Gefahr, dass die Bockwindmühle umstürzt. Spiesecke betete um Wetteränderung. Wie mit einem Zauberstab hörten die Unwetter um Ostern herum auf. Ein anderes Extrem begann, eine absolute Flaute. Nur noch nachts frischte der Wind ab und an auf. Nachts wollte der tapfere Klaus nicht arbeiten, es galt als Sünde. Ebenso war der Sonntag tabu, im ganzen April war nur an diesen Feiertagen eine Brise zu spüren. Die Bauern warteten darauf, dass ihr Korn endlich zu Mehl wird. Das Brot ging im Dorf langsam zur Neige. Die Bauern murrten. Spiesecke wusste nicht mehr ein und aus. Beten schien nicht mehr zu helfen. Auch seine zwölfköpfige Familie wurde unruhig, ohne Mahlen keine Einnahmen. Es wurde dem Müller zu bunt. Als mit dem Sonnenuntergang wieder einmal der Wind aufkam, es muss so um Pfingsten gewesen sein, verließ er seine vier Wände und beschloss eine Nachtschicht einzulegen. Als er die ersten Säcke Korn zwischen die Mahlsteine schüttete, und das klappern der Mühle an sein Ohr drang, er das erste Mehl den Sack füllte, war Spiesecke glücklich. Dieses Glück wollte er mit anderen teilen. So nähte er ganz kleine Säckchen und fühlte sie mit dem ersten Mehl des Jahres. Jedes seiner elf Kinder und seine Ehefrau Else bekamen als erste von dem Glücksmehl. Danach zog der Müllermeister durchs Dorf und berichtete von seinem sündigen Tun. In jedem Haushalt hinterließ er seinen Glücksbringer. Nach getaner Arbeit, die Sonne ging gerade wieder auf, fiel Spiesecke müde in sein Bett. Er schlief einen redlichen und rechtschaffenen, traumlosen Schlaf. Als er erst nach 36 Stunden aufwachte, herrschte herrlichstes Wetter mit einer gleichmäßigen Brise. So sollte es bis zum Jahresende bleiben. Die Dörfler und die Müllerfamilie waren seitdem zufrieden. So beschloss Spiesecke die Zeremonie alljährlich zu wiederholen. Jedes Jahr am Pfingstmontag, spendete er einen Kornsack, der dann nachts vermahlen wurde. Das Mehl wurde dann von ihm als Amulett, als Glücksmehl im Dorf verteilt. Im Laufe der Jahre sprach sich die Sitte herum. Bald kamen die Damelanger, Freienthaler, Oberjünner und Golzower und sogar Brücker in die Cammersche Mühle und erbaten Glücksmehl. Spiesecke teilte mit allen. Die Gutsherrschaft derer von Brösigke sah es ebenfalls gern, kamen doch Menschen ins Dorf, die auch im Dorfkrug Geld ließen. So brachte Müller Spieseckes Mehl vielen anderen Cammerschen Bürgern Arbeit und Glück. Als auch Brandenburger, Belziger, gar Potsdamer, Magdeburger und Berliner anklopften, wurden die ersten Krämerläden aufgebaut und eine Poststation nahm ihre Arbeit auf. Spiesecke lebte fortan glücklich, der Wind ließ ihn nie wieder im Stich. So hat er über Cammer Wohlstand gebracht. Erst mit seinem Tod geriet sie Sitte nach und nach in Vergessenheit. Mit der Zeit verfiel die Mühle und wurde schließlich von kräftigen Winden umgestoßen. Obwohl diese wieder aufgebaut worden ist, gab es nie wieder einen solchen konstanten Wind. Über das Glücksmehl berichten auch noch heute die alten Leute im Dorf, manche vermissen es. ©ako